Einleitung
Wenn Energie teuer wird, zahlt nicht nur der Verbraucher – sondern auch die Industrie und damit der gesamte Standort. Die IHK Schwaben warnt in ihrer aktuellen Stellungnahme davor, dass die derzeitige Energiepolitik Deutschlands „unseren Wohlstand“ gefährdet. In diesem Beitrag beleuchte ich, wie die Energiepolitik zum Standortfaktor geworden ist: Welche Mechanismen greifen? Welche Risiken bestehen? Und wie könnte ein Kurswechsel aussehen, damit Deutschland als Industrie‑ und Exportnation nicht ins Hintertreffen gerät?
Die aktuelle Situation der Energiepolitik in Deutschland
Deutschlands Energiepolitik hat ambitionierte Ziele: Ausbau erneuerbarer Energien, Reduktion von Treibhausgasemissionen und hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Ein Blick auf Fakten zeigt aber Spannungen zwischen diesen Zielen und realen Standortbedingungen:
- Laut der Deutscher Industrie‑ und Handelskammertag (DIHK) Studie „Neue Wege für die Energiewende (Plan B)“ wird der derzeitige Pfad bis 2049 Kosten von 4,8–5,4 Billionen Euro verursachen. (dihk.de)
- Die Strompreise für energieintensive Industrieunternehmen in Deutschland lagen 2024 bei rund 0,19 USD /kWh, im Vergleich zu ca. 0,08 USD /kWh in den USA – das zeigt eine Wettbewerbsineffizienz beim Energiekostenfaktor. (Trade.gov)
- Im aktuellen „Energiewende‑Barometer 2025“ der DIHK wird deutlich: Die Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit durch Energiepolitik liegt im Gesamtbereich bei –8, bei besonders betroffenen Industrieunternehmen sogar bei –26 – also sehr skeptisch. (dihk.de)
Diese Zahlen zeigen: Kostenbelastung, Planungsunsicherheit und hoher Investitionsbedarf sind zentrale Faktoren – und sie wirken sich direkt auf den Industriestandort Deutschland aus.
Herausforderungen und Risiken für den Industriestandort
Kostenbelastung und Wettbewerbsfähigkeit
Hohe Energie‑ und Netzkosten spielen insbesondere bei energieintensiven Branchen eine große Rolle. Je höher die Fixkostenanteile, desto stärker wirkt sich ein Wettbewerbsnachteil gegenüber billigeren Standorten aus.
Versorgungssicherheit & Planbarkeit
Industrieunternehmen benötigen stabile Rahmenbedingungen: konstante Energieversorgung, langfristige Kalkulierbarkeit. Wechselnde regulatorische Vorgaben, Stockungen beim Netzausbau und steigender Anteil volatiler erneuerbarer Energien erschweren diese Planung. So spricht die IHK Schwaben vom „radikalen Kurswechsel“, damit „unser Standort nicht weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert“. (Industrie- und Handelskammer)
Investitionszurückhaltung und Verlagerung
Wenn Investoren hohe Risiken sehen – wegen Kosten, Genehmigungen oder Energie‑Unsicherheit – kann das zu Verzögerungen oder Abwanderung führen. In der IHK‑Studie heißt es: „Die Energiewende kann nur mit einer starken Wirtschaft gelingen“. (dihk.de)
Regulatorische Komplexität und Bürokratie
Genehmigungsverzögerungen, unklare Regelungen und nationale Alleingänge machen Unternehmen das Leben schwer. Die IHK fordert daher „weniger Staat, mehr Markt, Technologieoffenheit und ein Ende nationaler Alleingänge“. (inoutic)
Zentrale Kritikpunkte der Industrie‑ und Handelskammern
- Strompreise senken: Eine wiederkehrende Forderung der IHKs ist die Senkung der Belastung für Unternehmen durch Energiepreise.
- Überholte Abgaben und Steuern abschaffen: Der Industriesektor sieht sich durch diverse Umlagen und Abgaben belastet.
- Eigenversorgung und Direktlieferverträge verbessern: Unternehmen möchten mehr Flexibilität bei der Energie‑Beschaffung und sollen stärker partizipieren dürfen.
- Technologieoffenheit und Wettbewerbsfähigkeit sichern: Statt ideologischer Vorgaben soll Wirtschaftlichkeit und Innovationskraft im Vordergrund stehen.
- Effiziente Infrastruktur und Planungssicherheit schaffen: Beispielsweise spricht sich die IHK Schwaben für den Vorrang oberirdischer HGÜ‑Trassen aus, um den Netzausbau beschleunigt und kosteneffizient umzusetzen. (Industrie- und Handelskammer)
Die Kritik fasst sich also zusammen: Klimaziele sind wichtig, aber müssen mit Wirtschafts‑ und Wettbewerbslogik verbunden werden – ein „Entweder – Oder“ darf nicht zum Standortnachteil führen.
Mögliche Lösungsansätze und Reformpfade
Flexiblere Energiepolitik & Marktmechanismen
Subventionen und starre Vorgaben mögen sinnvoll gestartet sein – doch heute braucht es zunehmend marktbasierte Steuerung: z. B. Abschaffung von festen Einspeisevergütungen und mehr Wettbewerb. (Reuters)
Infrastruktur und Netzausbau effizient gestalten
Ein zuverlässiger Netzausbau ist essenziell: Nur so kann das Wachstum erneuerbarer Energien skalieren, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Es geht nicht nur um Wind‑ und Solarparks, sondern auch Speicher, Wasserstoff‑Leitungen und intelligente Laststeuerung. (Clean Air Task Force)
Kostenreduzierung durch Innovation & Kooperation
Die Studie zeigt klare Handlungsspielräume: Etwa könnten effizientere Prozesse und internationale Kooperationen über 900 Mrd. € Einsparpotenzial bis 2050 bieten. (Reuters)
Europäische Kooperation statt nationaler Alleingänge
Eine gemeinsame europäische Energie‑ und Industriepolitik senkt Kosten, reduziert Redundanzen und verbessert Wettbewerbsfähigkeit. Die IHKs fordern weniger nationale Sonderwege. (Industrie- und Handelskammer)
Gezielte Förderung energieintensiver Branchen
Industriepolitik darf nicht tabu sein: Gerade Unternehmen mit hohem Energiebedarf benötigen Planungssicherheit, Fördermodelle für Transformation und stabile Rahmenbedingungen.
Fallbeispiele & Ausblick
In der Region Schwaben – stark industriell geprägt – äußert die IHK Schwaben explizit die Sorge um den Standort: „Bayerisch‑Schwaben ist ein Produktionsstandort. Unser Wohlstand hängt entscheidend am produzierenden Gewerbe.“ (Industrie- und Handelskammer)
International zeigt sich: Deutschland liegt bei Industriestrompreisen deutlich über manchen Wettbewerbern. Während das kein alleiniger Faktor ist, bildet es eine gewichtige Komponente im Standortvergleich.
Ein mögliches Szenario: Wird der Kurswechsel erfolgreich umgesetzt – also mehr Marktmechanismen, effizienterer Netzausbau, Technologieoffenheit –, kann Deutschland die Dekarbonisierung als Standortvorteil nutzen und nicht als Belastung. Wird er aber verpasst, droht eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit und damit langfristig ein Wohlstandsverlust.
Schlussfolgerung
Die Energiepolitik ist längst kein reines Umwelt‑ oder Klimathema mehr — sie ist Standortpolitik. Dass die IHKs derzeit Alarm schlagen, zeigt: Ohne Kurskorrekturen drohen erhebliche Wettbewerbsnachteile. Kosten, Bürokratie und Planungsunsicherheit dürfen nicht zur Achillesferse der Industriemacht Deutschland werden.
Jetzt braucht es Mut zu Reformen: mehr Markt, weniger Ideologie; Technologieoffenheit statt Dogmen; europäische Kooperation statt nationaler Sonderwege; und vor allem: ganzheitliche Betrachtung von Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit. Wer sich rechtzeitig auf diesen Weg macht, schafft nicht nur eine nachhaltige Energieversorgung — sondern sichert auch einen modernen und starken Industriestandort.
FAQs
Warum kostet Strom in Deutschland so viel?
Hauptgründe sind: Umlagen und Abgaben (z. B. EEG‑Umlage früher), Netzentgelte, hohe Infrastruktur‑ und Netzgebühren sowie der Umbau zu erneuerbaren Energien mit Speicher und Backup.
Welche Rolle spielt die Industrie bei der Energiewende?
Die Industrie ist ein zentraler Verbraucher von Energie und gleichzeitig Transformationsakteur (z. B. Stahl, Chemie). Ihre Wettbewerbsfähigkeit hängt stark von Energiekosten und Versorgungsbedingungen ab.
Können erneuerbare Energien allein Deutschlands Energieversorgung sichern?
Theoretisch ja – Modelle zeigen etwa mögliche 100 % erneuerbare Energiesysteme. Praktisch aber bedarf es umfangreicher Infrastruktur‑, Speicher‑ und Netzkapazitäten und klarer Planung, damit Versorgungssicherheit gewährleistet ist.
Welche Alternativen gibt es zur bisherigen Energiepolitik?
Einige Elemente: stärker marktbasiertes Fördern statt fixierter Einspeisevergütungen, schnellere Netzinfrastruktur, Technologieoffenheit (z. B. Wasserstoff, aber auch fossile Übergangstechnologien), europäische Koordination.

